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AutorenbildMarcel "Otto" Yon

Eigentümerkultur als Voraussetzung erfolgreichen Verwaltungshandelns

Aktualisiert: 7. Nov. 2021

Ein maßgeblicher Pfeiler agiler Arbeitskultur ist die Zusammenarbeit in funktional übergreifenden Teams, die mit weitreichenden Entscheidungskompetenzen ausgestattet sind. Leitbild ist der verantwortlich agierende Mitarbeiter, der seine Aufgabe wie ein Eigentümer wahrnimmt, Chancen und Risiken möglicher Handlungsalternativen gegeneinander abwägt und letztlich auf Basis einer Gesamtbetrachtung die bestmögliche Entscheidung trifft. Verwandte Ansätze sind in der Bundeswehr mit den Konzepten der inneren Führung und Auftragstaktik gut bekannt. Agile Kultur hilft, diese Ansätze auch auf Verwaltungsebenen zu implementieren.


Foto: Phuc Long by unsplash


In der öffentlichen Hand finden sich viele “anti-agile” Strukturen, so auch bei der Beschaffung. Oberste Leitlinie ist häufig die Vermeidung rechtlicher Auseinandersetzungen. Andere strategische Vorgaben werden systematisch aufgrund einer dysfunktionalen Organisationsstruktur unterbewertet.


Grenzen funktionaler Silos


Beispiel 1: In der Praxis werden die Zuschlagskriterien in Ausschreibungen gerne auf den Preis ausgerichtet. Andere, vergaberechtlich zulässige, Kriterien wie etwa die Nutzerfreundlichkeit werden gemieden. Neben einer falsch verstandenen Wirtschaftlichkeit macht es sich die Vergabestelle nicht unnötig schwer: Ein Preis ist mathematischer Natur und somit nicht angreifbar, qualitative Kriterien hingegen schon.


Beispiel 2: Nach Vergaberecht ist die Leistung “so eindeutig und erschöpfend wie möglich zu beschreiben, sodass (…) die Angebote miteinander verglichen werden können”. Soll z.B. eine Softwareentwicklung beauftragt werden, bietet die konkrete Beschreibung einer herzustellenden Werkleistung die größere Rechtssicherheit. Dagegen liefert die Darstellung einer gewünschten Funktion verbunden mit der erwarteten Qualifikation eines agil arbeitenden Entwicklerteams auf Dienstleistungsbasis mehr Angriffsfläche und ist somit weniger rechtssicher. Dabei sind agile Softwareentwicklungen oft um das Zehnfache und mehr wirtschaftlicher als das Programmieren nach Leistungsverzeichnissen.


In beiden Fällen birgt der rechtlich anspruchsvolle Weg Risiken der auslegungsfreien und somit rechtssicheren Formulierung der Zuschlagskriterien. Auch wenn es rechtskonform ist, so stellt die Rechtsunsicherheit einer möglichen Rüge aus Perspektive der Vergabestelle ein unnötiges Risiko dar. Dass in einer Gesamtbetrachtung hier das Risiko in Wahrheit nur von der Vergabestelle hin zum Operateur verlagert wird, erfährt in der funktional gegliederten Organisation unzureichend Beachtung. Unter Umständen wird dabei sogar gegen geltendes Recht verstoßen, etwa gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot gem. Bundeshaushaltsordnung (BHO).


Dass derartige Ineffizienzen entstehen, ist nicht die Schuld Einzelner. Im Gegenteil: Eigentümerkultur wird gelebt, wenn Kolleginnen und Kollegen aus eigenem Antrieb Risiken im Interesse des großen Ganzen in Kauf nehmen. Diese Kollegen sind Helden, denn sie beweisen jenseits ihrer persönlichen Interessenlage Mut. Fairer wären die richtigen Anreizstrukturen – niemand sollte Held sein müssen, um mit dem Verantwortungsbewusstsein eines Eigentümers zu handeln.


Der Auftrag im Mittelpunkt


Die Umsetzung einer agilen Kultur erfordert im Kern drei Dinge: die Bildung funktional übergreifender Teams, die Ausrichtung der Interessen auf ein gemeinsames Ziel und ein verantwortungsvolles Risikomanagement.


Eine agile Organisation besteht aus einem Netzwerk weitgehend unabhängiger Teams, die rund um Talente und deren Ergebnisverantwortung für Ziele aufgestellt werden, nicht um funktionale Expertise und deren Zuständigkeiten. Die für den Auftrag erforderliche fachliche Expertise wird im Team ausgebracht, sodass die Abhängigkeit von anderen Abteilungen vermieden wird. Das Team wird mit einer weitreichenden Entscheidungskompetenz entlang der gesamten Wertschöpfungskette seines Auftrags ermächtigt.


Ein agiles Team definiert sich maßgeblich durch den gemeinsamen Auftrag, auf den das Team eingeschworen ist. Das sogenannte “Alignment” des Teams ist Ergebnis täglich gelebter Zusammenarbeit und wird nicht allein durch eine Weisung oder einen Befehl hergestellt. Mit der Aufnahme der funktionalen Expertise aus anderen Abteilungen wird auch die Verantwortung für die Einhaltung der Rahmenbedingungen “in das Team geholt”, wie etwa die Einhaltung des Vergaberechts. Fortan gilt es sämtliche Risiken und Aufwendungen gegeneinander abzuwägen.


Rechtssicherheit darf – im Rahmen des rechtskonformen Handelns – kein verselbständigtes Dogma sein. Bei einer gesamtheitlichen Betrachtung des Auftrags dürfen die Grenzkosten der Risikovorsorge nicht die Grenzkosten des Risikoeintritts überschreiten. Nichts anderes trägt uns die BHO auf. Einem Beschaffer dürfen aus der Realisierung eines Risikos keine Nachteile erwachsen, wenn eine umfassende Chancen-Risiko-Abwägung gut durchgeführt wurde und die Gründe für die juristische Einordnung eines Sachverhaltes objektiv nachvollziehbar sind. Allein der Umstand, dass etwa eine vom Bieter angerufene Vergabekammer zu einer anderen Einschätzung als der Mitarbeiter kommt, muss für die Beurteilung der Qualität der Arbeit unerheblich sein.


Eine auf Eigentümerverantwortung basierende agile Kultur bildet sich gerade in großen Organisationen, ob privatwirtschaftlich oder behördlich, nicht von allein heraus. Vielmehr ist es Führungsaufgabe sie zu implementieren und vorzuleben – mitwirken müssen alle. Die agile Kultur bietet hierzu einen bewährten Rahmen.



Autoren: Marcel "Otto" Yon u. Anja Theurer in Behörden Spiegel 8/2019

Marcel “Otto” Yon ist CEO und Anja Theurer CFO des Bundeswehr Cyber Innovation Hubs, der ersten Digital Innovation Unit eines Bundesministeriums. Mit der Initiative “Staat-up” engagieren sich die Autoren für den Einzug der agilen Kultur in den öffentlichen Sektor, die Befähigung von “Public Intrapreneurs” als Treiber von Veränderung und die Förderung der direkten Zusammenarbeit zwischen Staat und Start-ups. Die Autoren vertreten ihre persönliche Meinung, nicht die des BMVg.


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