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AutorenbildMarcel "Otto" Yon

Digitaleinheiten (Teil 3): Erfolgsfaktoren

Aktualisiert: 7. Nov. 2021

Wie Roman Herzog schon 1997 in seiner “Ruck-Rede” sagte: “Die Fähigkeit zur Innovation bestimmt unser Schicksal”. Fast zeitgleich prägte Harvard Professor Clayton Christensen in “The Innovator’s Dilemma” den Begriff “disruptive Innovation” und lieferte die Herleitung für die Etablierung von „Digital Innovation Units“ (DIUs) . Das Tätigkeitsspektrum von DIUs lässt sich je nach Zielsetzung in sechs Grundtypen unterscheiden. Inzwischen erobert das DIU-Konzept zunehmend auch den öffentlichen Sektor. Bei der Übertragung in das Verwaltungshandeln sollte auf den Erfahrungen der Wirtschaft aufgesetzt werden.


Foto: my-life-through-a-lens by unsplash bq31L0jQAjU


Technologie ist nicht das Problem


Kodak hat die digitale Fotografie nicht nur erfunden, sondern war über 30 Jahre Treiber neuer Entwicklungen auf diesem Feld. Allerdings unterschätzte Kodak die Auswirkungen auf seine Geschäftsmodelle. Durch die Kombination von Social Media und Smartphones wollte die Menschheit keine Fotos mehr drucken. Der Absturz bis zum Konkurs dauerte nur wenige Jahre. Auch die Automobilindustrie war Jahrzehnte führend in der Forschung für autonomes Fahren – bis Google, Mobileye und Tesla rechts überholten.


Große Organisationen verfügen über hochqualifiziertes Personal, das auch neue Technologien beherrscht. Allerdings benachteiligen die Entscheidungsprozesse, Arbeitsweisen und Prioritäten dieser Organisationen systematisch disruptive Innovationen. Wie Ex-Google-CEO Eric Schmidt, Chairman des US Defense Innovation Board, sagte: “[das Department of Defense] tendiert dazu, den Mehrwert von Konsens, Beständigkeit und Transparenz zu Lasten von Geschwindigkeit und Agilität überzubewerten”. Unternehmen, die die digitale Transformation erfolgreich meistern, adressieren die Ursachen – Kultur – und nicht nur die Symptome – Technologie.


Unabhängigkeit und unternehmerische Freiheit


Oberstes Erfolgskriterium von DIUs ist “out of the box” handeln zu können. Klassische Fehler sind, (bewährte) Arbeitsgewohnheiten zu übernehmen, auf die trägen Unterstützungsprozesse des Mutterschiffs zu setzen und Projekte von der Zustimmung der Kernorganisation abhängig zu machen. Die in großen Organisationen übliche funktionale Organisationsform und Prozessmanagement sind Agilitätskiller. Eine DIU funktioniert per Definition nur als “auf sich gestellte Einheit”. Dies ist auch aus Sicht des Risikomanagements empfehlenswert. Das Risiko für die Gesamtorganisation wird durch das Budget der DIU begrenzt und am besten strategisch anhand eines Portfolioansatzes gesteuert, ähnlich der Venture Capital Industrie, und nicht durch die für Großorganisationen typischen Einzelfreigaben und Zustimmungsprozesse.


Dabei beinhaltet das Konzept der dualen Transformation durchaus auch die Zusammenarbeit von DIU und Kernorganisation. Abhängigkeiten und aufoktroyierte Kooperationen („Abstimmungsprozesse“) sind hier aber kontraproduktiv, Wettbewerb zwischen Neu und Alt ist effizient. Erfolgreichen DIUs gelingt es, ein informelles Netzwerk aufzubauen, was durch die Integration von Mitarbeitern der Kernorganisation in der DIU befördert wird.


Keine “Think Tanks”, ­sondern “Do Tanks”


Die Stärke des Start up-Ökosystems liegt in der Umsetzungs- und Anpassungsgeschwindigkeit kleiner Organisationen. Der “Lean Start up”-Ansatz und das agile Lernen erweisen sich in einem unbekannten, sich schnell ändernden Umfeld klassischen Planungs- und Steuerungsansätzen als überlegen und deutlich wirtschaftlicher. Der Wertbeitrag von DIUs ist unternehmerischer Natur und reicht weit über das Scouting von Ideen hinaus. Folglich müssen DIUs befähigt sein, Projekte autark umzusetzen. Es reicht nicht Ideen zu validieren – diese entstehen auch so jeden Tag in der Großorganisation. Die Innovationsleistung besteht in der Umsetzung, den zahlreichen Widerständen zum Trotz.


Steuerung durch die erste Führungsebene


Alle Erfahrung zeigt: Disruptive Innovationen bedürfen der Führungsstärke und des Schutzes durch die erste Führungsebene. Digitale Transformation tangiert alle Unternehmensbereiche und steht – durchaus absichtlich – in Konkurrenz zum Status Quo. Nur die Leitung ist in der Lage, die erforderliche Unterstützung sicherzustellen. Die Kernorganisation tendiert dagegen dazu, eine DIU in der „Linie“ zu verstecken und der 2. oder gar 3. Führungsebene zu unterstellen – am liebsten in der IT. Hierbei dürfen zwei zentrale Herausforderungen nicht verwechselt werden: Die Digitalisierung ist Aufgabe der IT der Kernorganisation. Aufgabe einer DIU ist, die Unternehmensführung darin zu unterstützen, die Innovation der Geschäftsmodelle und digitale Transformation voran zu treiben. Beide stehen oft in Konkurrenz zu einander.


Eine Frage der Kultur


Erfolgreiche DIUs arbeiten nicht nur mit Startups, sondern schaffen es nach Lean Startup-Prinzipien wie ein Startup zu arbeiten. Startups sind die Weltmeister der Innovationsadaption und der Überwindung von Innovationshemmnissen. Hierbei handelt es sich um eine systematische Wertschöpfung, die durch den professionellen Einsatz agiler Methoden, UX Design, eine kollaborative Innovationskultur und die Übernahme von Verantwortung bei außergewöhnlichem Einsatz erbracht wird.


Mit der richtigen Startup-DNA verhilft die DIU ihrem Konzern zu einem “unfairen” Wettbewerbsvorteil, nämlich sowohl auf die Ressourcen und Marktzugänge einer Großorganisation als auch auf die Innovationsschlagkraft eines Startups bauen zu können.


Das Team ist wichtiger als der Businessplan


Wer Startup-Mentalität und Innovationskultur ernten will, muss auf Talente des Startup-Ökosystems setzen. Auch erfahrene Venture-Capital-Investoren setzen bevorzugt auf Serien-Unternehmer. Startup Gründer werden als Führungskräfte gerne unterschätzt. Auch wenn sie in der Regel kleinere Einheiten geführt haben, so haben Sie oft ein viel breitere und tiefere Change Management Erfahrung als das Top Management aus Großkonzernen. Die Top Talente für sich zu gewinnen und zu behalten stellt die größte Herausforderung dar und liefert gleichzeitig den besten Key Performance Indicator (KPI) um zu messen, ob die Kernorganisation bereit für unbequeme Veränderungen ist.


Große Organisationen sollten jedoch nicht unterschätzt werden: In ihren Reihen gibt es Intrapreneure, die allerdings über alle Bereiche verstreut sind und allein nicht das erforderliche Momentum für Veränderung entfachen können. Diese wertvollen Talente gilt es zu identifizieren und in das DIU-Team zu integrieren.


Die öffentliche Hand unterliegt besonders komplexen Rahmenbedingungen, gerade bei der Personalisierung von Spitzenführungskräften von außen. Gerade deswegen bieten DIUs hier eine enorme Chance, die digitale Transformation erfolgreich zu gestalten. Voraussetzung ist eine konsequente Umsetzung der Strategie. Dieser Weg wird auf Widerstände treffen und erfordert ein hohes Commitment der ersten Führungsebene.


Die Autoren des Gastbeitrages sind Marcel “Otto” Yon, Leiter des Cyber Innovation Hubs der Bundeswehr (CIH) und Dr. Stephanie Khadjavi, die die Marktforschung im CIH verantwortet. In Teil 1 der Beitragsserie haben die Autoren Ziele von DIUs und deren Relevanz für die öffentliche Verwaltung erläutert. In Teil 2 wurden die Arten und Aktivitäten von Innovationseinheiten heraus gearbeitet.



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